Immer wieder tauchen diese Fragen in meinen Workshops zu gendergerechter Sprache auf: Muss ich gendern? Oder kann ich es auch einfach lassen? Darf ich gendern, wie ich will? Oder gibt es inzwischen feste Regeln? Wer schreibt mir vor, wie ich zu sprechen habe? Dieser Beitrag soll ein bisschen Licht ins Dunkel bringen und zeigen, welche Richtlinien zum Gendern aktuell gelten. Denn tatsächlich machen Unternehmen und Organisationen häufig Vorgaben zu gendergerechter Sprache. Einige Bundesländer haben hingegen ein Genderverbot für Verwaltung und Schulen erlassen. In anderen Kontexten ist Eigeninitiative gefragt und du entscheidest selbst, welchen Weg du einschlägst.
Wo das Gendern Vorschrift ist
Viele Menschen wünschen sich tatsächlich „endlich“ einheitliche Richtlinien für geschlechtergerechte Sprache. Die vielen verschiedenen Möglichkeiten können überfordern und erschweren eine einheitliche Verständigung. Gegner*innen des Genderns setzen sich wiederum für die Verwendung des generischen Maskulinums ein – wie es lange Zeit gängig war.
Studien zeigen, dass wir uns unter Personenbezeichnungen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, unterbewusst eher Männer vorstellen. Diese Wahrnehmung ist allerdings nicht rein sprachlich, sondern vor allem gesellschaftlich bedingt. Um alle Geschlechter abzubilden, werden zunehmend gendergerechte Alternativen wie das Gendersternchen benutzt.
Gendern müssen als Arbeitnehmer*in
Zugunsten einer einheitlichen Sprache, der Corporate Language, erstellen viele Unternehmen und Organisationen Leitfäden für eine diskriminierungsfreie, diversitysensible und gendergerechte Sprache. Sie sollen Mitarbeitenden und Kommunikationsverantwortlichen Orientierung bieten. In vielen Fällen ist die Umsetzung innerhalb der Organisation auch verpflichtend, schließlich ist die Arbeitgeberin weisungsbefugt. Ist das schon Genderzwang? Nun, theoretisch besteht immer die Möglichkeit, den Job zu kündigen und woanders zu arbeiten, wo nicht gegendert wird. Ob das in der Praxis machbar und sinnvoll erscheint, darf jede*r selbst entscheiden.
Muss man an der Uni gendern?
Eine offizielle Pflicht für Studierende, in Abschluss- oder Hausarbeiten zu gendern, gibt es nicht. Dennoch geben viele Hochschulen und Universitäten Richtlinien oder Leitfäden zu geschlechtergerechter Sprache in wissenschaftlichen Arbeiten heraus. In der Regel handelt es sich dabei um Empfehlungen. Wer nicht gendert, sollte dafür grundsätzlich keinen Punktabzug kassieren – auch wenn das nicht überall gleich gehandhabt wird.
Da bei einer wissenschaftlichen Arbeit von Studierenden bestimmte formale Kriterien und Einheitlichkeit erwartet werden, kann es allerdings zu Punktabzug kommen, wenn:
- mal gegendert wird und mal nicht
- unterschiedliche Arten zu gendern gemischt werden
Handelt es sich um einen solchen Formfehler, ist das Gendern oder Nichtgendern an sich nicht der Grund für den Punktabzug.
Vorgaben zum Gendern auf Länderebene
In Deutschland regelt jedes Bundesland für sich, wie mit der gendergerechten Sprache umgegangen werden soll. Zwei Bundesländer machen Vorgaben dazu, wie in der öffentlichen Kommunikation, in der Verwaltung und an Schulen gegendert werden soll: Bremen und das Saarland. Beide haben sich für das Gendern mit Doppelpunkt entschieden. Während drei weitere Bundesländer das Gendern verbieten, gibt es in den übrigen keine festen Regelungen. Empfehlungen und Richtlinien zum Gendern gibt es mittlerweile jedoch fast überall.
Gendern und die amtliche deutsche Rechtschreibung
Ein häufiges Argument gegen geschlechtergerechte Sprache ist, dass sie nicht mit der amtlichen Rechtschreibung übereinstimmt. Das gilt zumindest für die meisten Varianten mit Sonderzeichen. Den Rechtschreibregeln entsprechend ist nur die Schrägstrichvariante wie bei „Leser/-in“, wenn:
- vor dem Schrägstrich ein vollständiges Wort steht
- vor der angehängten weiblichen Endung ein Bindestrich steht
Demzufolge wäre zum Beispiel „Kund/-in“ auch mit Bindestrich offiziell falsch, genauso wie „Ärzt/-in“ oder „Lehrer/innen“. In den meisten Kontexten bist du der amtlichen Rechtschreibung nicht unbedingt verpflichtet. Deshalb etablieren sich auch Sonderzeichenvarianten zunehmend, die orthografisch nicht richtig sind.
Rechtschreibregeln können sich selbstverständlich ändern, so wie es auch schon viele Male passiert ist. Verantwortlich dafür ist der deutsche Rechtschreibrat, der schon mehrfach zum Thema Gendern getagt hat – zuletzt im Juli 2023. Bisher hat man sich jedoch immer dagegen entschieden, Formen wie das Gendersternchen in das Regelwerk aufzunehmen. Die sprachlichen Entwicklungen sollen erst noch weiter beobachtet werden. Hier wird also keine (vor-)schnelle Entscheidung getroffen.
Muss man Gendern akzeptieren?
Grundsätzlich gibt es kein Gesetz, das dir vorschreibt, immer und überall gendergerechte Sprache zu verwenden. Genauso wenig kann dich jemand dazu zwingen, gegenderte Texte zu lesen. Nichtsdestotrotz verbreiten sich geschlechtergerechte Sprachformen zunehmend. In den öffentlich-rechtlichen Nachrichten oder einigen Radiosendern wird zum Beispiel auch gegendert. Dein Arbeitgeber ist dir gegenüber weisungsbefugt und kann von dir verlangen, deine Kommunikation gendergerecht zu gestalten. Bist du im öffentlichen Dienst oder an einer Schule tätig, kann es ebenfalls Vorgaben oder auch ein Genderverbot geben.
In deinem Privatleben, als Selbstständige*r oder in einer Organisation, die keine Vorgaben macht, bist du dagegen völlig frei: Ob du genderst oder nicht, ist dir überlassen. Überleg dir am besten, welche Zielgruppen du ansprichst, mit wem du in Kontakt bist und welche Werte dir wichtig sind. Daran kannst du deine Entscheidung festmachen.
Was tun, wenn Gendern verboten wird?
Inzwischen gibt es drei Bundesländer, in denen ein Genderverbot gilt: Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Konkret geht es hierbei um das Gendern mit Sonderzeichen. In der Schule werden diese Formen als Fehler gewertet und es kann Punktabzug geben. In Sachsen gilt das Verbot auch für alle, die mit Bildungseinrichtungen oder dem Kultusministerium zusammenarbeiten.
Es kann natürlich auch sein, dass Unternehmen oder Organisationen entscheiden, das generische Maskulinum oder nur sonderzeichenfreie Varianten zu nutzen. Dann bist du als Arbeit- oder Auftragnehmer*in ebenfalls von Vorgaben betroffen, die das Gendern mit Sternchen und Co. ausschließen. Möchtest du trotzdem alle Geschlechter einbeziehen, kannst du:
- neutrale Formulierungen verwenden
- die Paarform nutzen
- das Prinzip der Rollenverteilung ausprobieren
- weitere Strategien für unauffällig geschlechtsneutrale Texte anwenden
Meine Haltung zu „Genderzwang“ als Trainerin für geschlechtergerechte Sprache
Ich persönlich als Trainerin für gendergerechte Sprache und Vielfalt wertschätzende Kommunikation sehe meine Arbeit als Angebot, das selbstverständlich freiwillig ist. In meinen Workshops stelle ich Argumente für eine geschlechtergerechte Sprache vor, erwähne die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten. Ich gebe Hinweise, wie sie sich praktisch anwenden lassen, welche Art sich für welche Zielgruppe am besten eignet, wo es vielleicht auch Nachteile und Probleme gibt – beispielsweise, wenn es um barrierefreies Gendern geht.
Aber ich sage als Trainerin NICHT, auch wenn das viele denken: „Du musst jetzt gendern, und zwar auf genau diese eine Weise, weil das die einzig wahre und richtige ist!“ Im Gegenteil: Viele Teilnehmende meiner Workshops wünschen sich konkrete Vorgaben zum Gendern, wollen wissen, wie sie es „richtig“ machen können und was „falsch“ ist. Ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen. Vielmehr möchte ich Impulse geben, die eigenen Vorbehalte, Gedanken und Handlungen zu hinterfragen.
Ich gehe immer davon aus: Es gibt die Argumente für geschlechtergerechte Sprache und es gibt welche dagegen. Es gibt eine bestimmte Zielgruppe, die ich erreichen möchte, ein bestimmtes Ziel, das ich vielleicht habe. Und es gibt meine eigenen persönlichen Werte. Ich kann immer selbst entscheiden: Wenn ich jetzt sage, Vielfalt und Inklusion sind mir wichtig, das will ich mir auf die Fahnen schreiben, dann ist es wahrscheinlich stimmig für mich, gendergerechte Sprache anzuwenden.
Und wenn ich beobachtet und verstanden habe, was da in mir eigentlich vorhanden ist – dann kann ich mir überlegen: Entspricht das meinen Werten? Oder eher nicht? Soll alles beim Alten bleiben? Oder möchte ich etwas verändern? Mit dieser Hintergrundhaltung ist es auch viel leichter, das tatsächlich umzusetzen. Echte, intrinsisch motivierte Veränderung kann man nicht erzwingen.
Fazit zur Frage: Muss ich gendern?
Gendern, ja oder nein, so oder so: deine Entscheidung – zumindest da, wo es nicht verboten ist oder bestimmte Vorgaben gelten. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, zu gendern. Bislang entsprechen Sonderzeichenvarianten auch nicht den amtlichen Rechtschreibregeln. Und die wenigsten Aktivist*innen und Befürworter*innen einer gendergerechten Sprache haben einen „Genderzwang“ im Sinn. Die Zukunft des Genderns ist also offen. Das Ziel Vielfalt wertschätzender Kommunikation ist ja nicht, ein Regelwerk zu schaffen, das wir alle stur übernehmen können. Für mich ist sie viel eher eine Möglichkeit, unser Zusammenleben zu verbessern, unterschiedlichste Lebensrealitäten sichtbar zu machen und einander näherzubringen.
Mit Sprachverboten machen wir es uns vielleicht ein bisschen zu einfach, denn sie verhindern jede Auseinandersetzung mit den Hintergründen, in unserem Beispiel des Genderns. Außerdem ist es ein Privileg, sagen zu können, was ich möchte, wann ich möchte, wo ich möchte, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Und ich hoffe doch, dass uns, die wir es haben, dieses Privileg erhalten bleibt.
Wenn du denkst: jetzt erst recht! Dann freue ich mich, dir meine erste Gendern Summer School vorstellen zu dürfen. Die besteht aus sieben ein- bis zweistündigen Online-Veranstaltungen nur zu geschlechtergerechter Sprache sowie einem Vortrag zu Vielfalt wertschätzender Kommunikation. Und das alles live über Zoom mit nur einem Ticket für 90 Euro netto. Weil Gendern so vielfältig ist und sich eben nicht auf einen Satz, eine Regel oder gar ein Verbot reduzieren lässt.