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Was ich 2022 als Texterin & Diversity-Trainerin gelernt habe

Der Titel des Artikels steht in der Mitte auf hellblauem Grund. Der Hintergrund ist regenbogenfarben. Auf dem Bild befinden sich vier Fotos: Eins von Lucia bei einem Präsenzvortrag. Eins von Careleaving Storys, dem Geschichtenheft aus der Jugendhilfe. Eins von Lucia und Lee bei der ersten Lesung aus Careleaving Storys. Ein Porträt von Lucias Fotoshooting von 2022.

Zuletzt geändert am 18. Januar 2023


Neues Jahr, neue Chancen. Altes Jahr, altes Spiel: Wie schon 2019, 2020 und 2021 lade ich dich ein zum Jahresrückblick auf 2022 und der Vorschau ins neue Jahr!

2022 – was für ein Jahr, in dem wir vieles seit Coronabeginn zum ersten Mal wieder gemacht haben – was für ein Jahr angesichts der Weltlage – was für ein Jahr auf den verschiedensten Ebenen für jede*n von uns persönlich. Lass mich gern in den Kommentaren wissen, was du in den letzten zwölf Monaten gelernt hast. Bei mir ist es eine ganze Menge!

Ein Start mit Vollbremsung

Nachdem mich Ende 2021 ein Todesfall aus dem Takt gebracht hatte, begann das neue Jahr mit einer Beerdigung. Darauf folgten große Pläne: Mehr Gendern-leicht-gemacht-Workshops, neue offene Workshops, meine zweite Trainer*innenausbildung, Website-Überarbeitung, Careleaving Storys und viele weitere Themen standen auf dem Zettel. Aber auch die Fokusworte: Loslassen, Einlassen, Öffnen. Platz für Überraschungen sollte es also auch geben. Vieles lief nicht nach Plan, gleichzeitig ist 2022 einiges richtig gut gelungen. Auf andere Aspekte des Jahres hätten wir wohl alle lieber verzichten wollen…

Mitte Januar war es dann auch in unserem Haushalt das erste Mal so weit: 7 Tage Quarantäne-Office, in denen ich es geschafft habe, mich nicht anzustecken – und in Ruhe beobachten konnte, was die Isolation mit mir und meiner Arbeit macht.

 

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Ich nutzte die Zeit zum Beispiel, um „Gendern leicht gemacht“ anzupassen (dieses Jahr gibt’s wieder ein Update) und die Workshops zu bewerben. Gleichzeitig raste ich schon volle Kanne mit richtig viel Tempo auf die Wand zu, die mich Anfang Februar mit lautlosem Knall ausbremsen und lahmlegen würde. Die Wand war mein Körper, der sich der Weiterfahrt verweigerte, nachdem ich alle bisherigen Stopp-Schilder übersehen hatte.

Viele Faktoren trugen dazu bei, das Fass zum Platzen zu bringen und mich über einen Monat lang außer Gefecht zu setzen. Jedenfalls waren auch arbeitsbezogene Aspekte mit dabei – wie die Kommunikation über Diversity-Themen in den sozialen Medien, ein überhöhter Anspruch an mich selbst, verbunden mit der Angst, Erwartungen anderer zu enttäuschen, sowie fehlende Abgrenzung.

Zum ersten Mal länger krank als Selbstständige

Ich erinnere mich kaum noch an den Februar, doch ich weiß, dass ich aus dieser Krise viel für mein zukünftiges Arbeiten lernen durfte. Auf jeden Fall ist es wichtig, auf sich zu achten, denn länger krank zu sein bedeutet als Selbstständige: kein Geld verdienen, Workshops und Termine ersatzlos absagen müssen, Aufträge und Chancen verpassen, in Sachen Verlässlichkeit angezweifelt werden, …

Es ist einfach nicht cool und ich bin froh, dass ich überwiegend verständnisvolle Kund*innen hatte und vergleichsweise schnell wieder handlungsfähig war. Ich weiß von meiner Partnerin, wie schwierig es schon ist, als Angestellte so richtig lange krank zu sein. Und dass es wesentlich schlechter hätte laufen können. So erwachte ich mit dem Frühling langsam wieder zum Leben.

Mit neuen Perspektiven zurück in den Alltag

Den ersten Schritt zurück in einen strukturierten Alltag machte ich mit der Entscheidung, meine zweite Trainer*innen-Ausbildung bei der IHK Berlin nicht abzublasen und den ersten von sechs Seminarblöcken zu absolvieren. Als erstes entdecke ich Flipchartmalen für mich und nutze es seitdem nicht nur, um meine Workshops zu visualisieren, sondern auch zum Gedankensortieren, Kopffreipusten und Planen.

Zwei Flipcharts mit Gesichterzeichnungen und dem 5-Finger-Feedback. Darüber der Text: Flipchartmalen hat es mir tatsächlich angetan, obwohl mir sowas eigentlich nicht so liegt. Das ganze Wochenende weitergemalt.

Den Rest des Frühlings war ich viel beschäftigt und unterwegs. Nach Corona durfte ich zum ersten Mal ein Präsenztraining geben, dem noch einige weitere folgen sollten. Zu Ostern hatte ich einen schönen kleinen Roadtrip mit meiner Freundin, bei dem ich mich endlich wieder richtig lebendig fühlen konnte. Unser Careleaving-Storys-Projekt nahm ebenfalls weiter Gestalt an: Wir begannen, Geschichten aus der Jugendhilfe zu sammeln, starteten unseren Instagram-Account und hatten ein weiteres Retreat mit dem AWAKE Fellowship.

Das Careleaving-Storys-Team aus Lee, Lucia und Laura beugt sich über lose Blätter, die auf dem Boden liegen. Sie bringen die Blätter mit den Geschichten aus der Jugendhilfe in die richtige Reihenfolge.
Das Team von Careleaving Storys in Action

Ein ereignisreicher Sommer

Von Mai bis Juni wechselten sich IHK-Ausbildungseinheiten mit Präsenz- und Onlineworkshops mit Text- und Diversity-Lektorat-Aufträgen ab. Ich war wieder „am Start“! Ende Juni machte Kathrin Windhorst von studiokwi aktuelle Business-Fotos von mir, die irgendwann auch auf die neue Website kommen.

Porträt von Lucia, die lächelnd in die Kamera schaut.     Porträt von Lucia, die neutral in die Kamera schaut.

Meine Sommerpause verbrachte ich mit viel Entspannung und einem Wanderurlaub in den Dolomiten bei 40 °C. Auf jeden Fall ein Jahreshighlight! Ich war tatsächlich das erste Mal seit 11 Jahren außerhalb Deutschlands. In einem Restaurant konnte ich mich sogar mit meinem Italienisch blamieren! Richtig gut.

Als ich dann erholt und voller Tatendrang nach Hause kam, erwartete mich gleich der nächste Dämpfer: die Kündigung meiner Wohnung inkl. Home-Office. In Berlin. Als Selbstständige. Eine neue Wohnung finden. Ich fühlte mich sofort zurückerinnert an meine Zeit als Studentin und Careleaverin ohne Familie, in der ich regelmäßig mit Minuskontostand und (drohender) Wohnungslosigkeit zu tun hatte. Aber ich versuchte mich darauf zu besinnen, dass meine Situation heute eine andere ist. Dennoch hat diese Erfahrung noch einmal meine Motivation erhöht, unsere Careleaving Storys zu erzählen. Auch heute noch stehen junge Menschen, die aus der Jugendhilfe ausziehen, vor existenziellen Schwierigkeiten!

Der Kalterer See in den Dolomiten lleuchtet grün, im Hintergrund sind Berge zu sehen.

Trainings, Workshops, Seminare – viel Arbeit im Herbst

Im Herbst war ich sehr aktiv. Intensive Wohnungssuche, viel Arbeit und Unterwegssein lenkten von der Ungewissheit ab, wo ich in Zukunft leben und arbeiten würde. Ich schloss meine Train-the-Trainer-Ausbildung ab und erhielt mein Zertifikat. Mein erster Print-Artikel in einer Fachzeitschrift erschien. Ich hatte alle Hände voll zu tun mit zahlreichen Präsenz- und Online-Workshops. Und ich reiste zum letzten Retreat des AWAKE Fellowships sowie zu meinem ersten Careleaver-Festival!

 

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Der November war der arbeitsreichste Monat des ganzen Jahres. Gleichzeitig war es auch der Monat, in dem ich nach drei Monaten Suche eine neue WG fand und das Leben der letzten acht Jahre mal eben in Kisten packen musste.

Dieser Herbst war ebenfalls sehr lehrreich. Ich lernte, meine Ressourcen besser einzuschätzen, spürte in den Trainings, was ich aus der Ausbildung mitnehmen konnte, und machte mir noch einmal bewusst, was mir wirklich wichtig ist und wovon ich mich verabschieden möchte. Ausmisten lohnt sich in allen Lebensbereichen!

Alles neu: Careleaving Storys erscheint und ich bekomme neue Mitbewohnerinnen

Anfang November hatten wir bei unserer ersten Lesung aus den noch nicht mal gedruckten Careleaving Storys eine viel stärkere Resonanz bekommen als erwartet. Das gab Lee und mir den Ansporn, unser kleines kreatives Projekt auch nach Ende des Fellowships weiterzuführen. Denn es schien doch größer zu werden als gedacht. Anfang Dezember zogen noch vor mir und meinen Möbeln also 80 kg Careleaving-Storys-Hefte in mein neues WG-Zimmer. 15 Menschen ihre Geschichten aus der Jugendhilfe erzählen zu lassen und als Büchlein veröffentlichen – das zählt definitiv zu meinen Jahreshighlights!


EIn Exemplar von Careleaving Storys vor blauem HintergrundCareleaving Storys ist ein Heft von vier Menschen, die einen Teil ihres Lebens in der stationären Jugendhilfe verbracht haben. Innerhalb eines Jahres haben Cee, Lee, Laura und Lucia Gedichte, Geschichten, Comics und Zeichnungen zahlreicher Careleaver*innen gesammelt und auch ihre eigenen Storys aufgeschrieben. Das Ergebnis ist dieses Heft voller bewegender Einblicke in das Leben vor, während und nach der Jugendhilfe.

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Den Dezember verbrachte ich mit Umziehen, den letzten Workshops des Jahres, meinem neuen Leben als mitbewohnende Cat-Lady und erholsamen „Weihnachtsferien“. 2022 war eine ziemliche Achterbahnfahrt, sagt meine Jahresstimmungskurve. Ich bin gespannt auf die Überraschungen, Herausforderungen und Erfolge, die 2023 bereithält…

Fazit: Das habe ich 2022 gelernt

Selten habe ich so bewusst Dinge gelernt und mich mit mir selbst beschäftigt, wie dieses Jahr. Auch wenn ich gerne mehr nach außen aktiv gewesen wäre, mehr Content geteilt, mich mehr engagiert und für wichtige Sachen eingesetzt, mehr nützlich für andere gewesen wäre – anfangen muss jede Person bei sich selbst. Hier ein Überblick meiner wichtigsten Learnings des Jahres 2022:

  • Ich weiß jetzt, wie es ist, als Selbstständige länger auszufallen oder eine Wohnung finden zu müssen – stärkt fürs nächste Mal. 😉
  • In meine Rolle als Trainerin konnte ich mich durch die Ausbildung noch mehr einfinden, mich festigen und vieles mehr über das Trainer*innendasein lernen.
  • Ich gehe wesentlich entspannter um mit den toxischen Seiten der Kommunikation über Social Media und Internet, dem Hate, der Kritik und dem Anspruchsdenken bzw. den überzogenen Erwartungen an meine Arbeit. Vieles, um das meine Gedanken Anfang des Jahres noch ständig kreisten, scheint jetzt unwichtig in Relation zu meinem wirklichen Umfeld, Erleben und Praxisalltag. Für mich lohnt sich ein regelmäßiger Reality-Check: Ist das, was ich denke, eigentlich wirklich so?
  • Ich kann mich viel besser abgrenzen, ich muss nicht 24/7 alles mitkriegen oder alles allein schaffen (Umsetzung folgt^^) und ich weiß, worauf und auf wen ich mich nicht mehr einlasse.
  • Es ist effektiver, an einer Sache zu arbeiten, für die ich wirklich brenne, als mich vom „Alles-immer-jetzt-sofort“-Anspruch verbrennen zu lassen.

Irgendwie klingen solche Learning-Aufzählungen immer etwas kitschig und pathetisch, oder? Darf auch mal sein. Was hast du letztes Jahr durch deine Arbeit oder generell gelernt? Schreib’s gern in die Kommentare.

Lucia bei einem Präsenzworkshop. Sie sitzt auf einem Stuhl und bespricht ein Flipchart mit den Teilnehmenden.            Lucia und Lee sitzen bei ihrer ersten Lesung von Careleaving Storys an einem Tisch hinter zwei Mikrofonen.

Ausblick und Jahresplanung 2023

Zuletzt lass uns noch einen Blick in die Zukunft des neuen Jahres werfen. Auf meinem Planungsplakat stehen so manche alte Vorhaben, die ich noch nicht geschafft habe. Aber auch neue Abenteuer:

  • Ich möchte wieder aktiver Content teilen und mindestens einmal im Monat einen Blogartikel schreiben – als nächstes ist beispielsweise die Zukunft des Genderns dran.
  • Mein GLG-Vortrag sowie weitere Miniformate werden wieder stattfinden – für kleines Geld oder kostenlos für Newsletter-Abonnent*innen.
  • Vielfalt wertschätzend kommunizieren“ als offener Workshop ist für den 9.5. geplant.
  • Ich weiß, das steht schon seit drei Jahren auf der Liste, aber diesmal gibt’s, glaub ich, wirklich ein neues Webdesign.
  • Ich möchte Coworking ausprobieren – falls du Tipps für Berlin hast, her damit!
  • Ich habe viele Ideen, in was ich mich weiterbilden möchte – was davon dieses Jahr klappt, wird sich zeigen.
  • Careleaving Storys geht weiter: mit der nächsten Druckauflage, eigener Website, Lesungen (z. B. am 18.2. in Berlin), Workshops, Schreibwerkstätten und hoffentlich neuen Geschichten!

Mal sehen, was dieses Jahr sonst noch so auf uns zukommt. Auf meiner Wortliste stehen diesmal: Glitzer, Abenteuer, Loslassen, Weitergehen.

Und bei dir? Was hast du 2023 vor? Und was wünschst du dir vielleicht von mir? Ich freue mich auf dein Feedback.

One comment Was ich 2022 als Texterin & Diversity-Trainerin gelernt habe

  1. Liebe Lucia, danke für diesen Bericht, bei dem ich ein wenig mitgelitten, mitgefiebert und mich mitgefreut habe. Ja, es ist nicht einfach, als Selbständige seine Kräfte gut einzuteilen, sich sozial und arbeitsrechtlich abzusichern. Ich wünsche Dir, dass Du mit Deiner herausragenden Arbeit einen immer stärkeren Expertinnenstand bekommst, so dass Dir auch gute Honorare Rückendeckung geben für Zeiten, in denen Du beruflich etwas zurücktreten willst oder musst. Was Honorarverhandlungen betrifft, so motivieren mich jeweils die Podcasts oder Newsletters von Wies Bratby. Ich kopiere Dir hier die Website rein: https://womeninnegotiation.org/. Dabei geht’s längst nicht nur um Geld, sondern um unser berufliches Selbstverständnis und unser Bewusstsein für die gute Arbeit, die wir leisten. Liebe Grüsse aus der Zentralschweiz, Gabriela

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