Das ist die mit Abstand häufigste Frage, die mir zu meinem Content über geschlechtergerechte Sprache oder auch während meines Workshops Gendern leicht gemacht gestellt wird. Viele beschäftigt: Was sage ich, wenn ich einer nichtbinären Person begegne oder über sie sprechen möchte? Welches Pronomen verwende ich da? Und was mache ich, wenn jemand mit „they/them“ angeredet werden möchte? Die Antworten gebe ich dir in diesem Artikel kurz und knapp zusammengefasst.
Was bedeutet eigentlich „nichtbinär“?
Spätestens seit 2019 die dritte Geschlechtsoption „divers“ eingeführt wurde, wissen wir, dass die Kategorien Mann und Frau gar nicht so starr sind wie gedacht. Die körperlichen Merkmale sagen nicht unbedingt etwas darüber aus, welches Geschlecht ein Mensch hat.
Bei manchen Menschen stimmt das tatsächliche Geschlecht nicht mit dem überein, das ihnen bei der Geburt anhand körperlicher Merkmale zugeordnet wurde. Sie sind also nicht cis-, sondern transgeschlechtlich. Das bedeutet nicht zwingend, dass sie „das“ entgegengesetzte Geschlecht „weiblich“ oder „männlich“ haben. Es kann auch sein, dass sie sich irgendwo dazwischen oder ganz außerhalb des binären, also aus zwei Geschlechtern bestehenden System verorten. Dann sind sie nichtbinär. Sie können auch gar kein Geschlecht oder mehrere Geschlechter haben oder genderfluid sein. Nicht jede nichtbinäre Person ist jedoch trans, einige bezeichnen sich auch als cis. Mehr Infos zu den vielfältigen Geschlechtern findest du zum Beispiel im Queer-Lexikon.
Die Geschlechtsidentitäten jenseits von Mann und Frau sind vielfältig. Vielleicht weißt du, dass Facebook seinen User_innen 62 Geschlechtseinträge für ihre Profile anbietet. Entsprechend unterschiedlich sind auchc verschiedene nichtbinäre Menschen. Einige wollen, dass „er“ oder „sie“ für sie verwendet werden, andere bevorzugen Neopronomen. Deshalb kommt im Kontext geschlechtergerechter Sprache so häufig die Frage auf, wie wir denn nun über nichtbinäre Menschen sprechen können. Aber Achtung: Aus dem Pronomen, das eine Person für sich verwendet, lässt sich nicht ableiten, welches Geschlecht sie hat! Und umgekehrt kannst du vom äußeren Erscheinungsbild einer Person auch nicht auf ihr Geschlecht schließen.
Er, sie, x – Experimente mit Pronomen
Pronomen sind ein großes Thema in der Trans- und nichtbinären Community. Mit dem falschen Pronomen angesprochen zu werden, kann sehr verletzend sein – auch, wenn es nicht so gemeint war. Es ist also gut und wichtig, sich über die richtigen Pronomen für nichtbinäre Menschen Gedanken zu machen. Im Englischen wirkt die Sache auf den ersten Blick ja viel einfacher als auf Deutsch: Die dritte Person Plural, also „they“, kannst du einfach auch im Singular verwenden. Das war schon immer möglich und ist üblich, wenn über eine Person unbekannten Geschlechts gesprochen wird. Doch auch im englischsprachigen Raum werden Neo-Pronomen genutzt, wie zum Beispiel „ze“ oder „ey“.
Auf die deutsche Sprache lässt sich dieses Prinzip leider nicht anwenden, es ist grammatikalisch falsch und würde sich auch ziemlich ungewohnt anhören. Wir haben zwar das neutrale Pronomen „es“, das in der Regel für Sachen und Gegenstände verwendet wird – einige nichtbinäre Menschen nutzen es auch als ihr Pronomen. Für viele andere ist es aber verletzend. Manche Menschen nutzen einfach die englischen Wörter „they“ und „them“ als Ergänzung zu „sie“ und „er“. Außerdem gibt es schon eine ganze Reihe weiterer Neopronomen, die nichtbinäre Menschen für sich nutzen, wie zum Beispiel:
- sier
- ersie
- er_sie/er*sie/er:sie
- x
- xier
- die (analog zum englischen „they“)
Das ist nur eine kleine Auswahl! Eine Liste mit noch mehr Pronomen inklusive Deklinationstabellen findest du unter https://www.nibi.space/pronomen. Hier noch ein Beispielsatz mit dem Pronomen „xier“, das von Illi Anna Heger entwickelt wurde:
„Kim ist nichtbinär. Xier benutzt ein Neopronomen. Xiese Freund*innen sprechen konsequent mit diesem Pronomen über xien. Genauso sollte es jede Person handhaben, die mit und über xiem spricht.“
Wirkt auf den ersten Blick kompliziert, aber hier gilt wie beim Gendern: alles eine Sache der Gewohnheit.
Zwei nichtbinäre Menschen über ihre Pronomen
Auf Instagram habe ich Lou und Sarah interviewt. Beide verwenden für sich Neo-Pronomen und berichten in den Slides über ihre Erfahrungen.
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Die häufigsten Fragen zu nichtbinären Pronomen
Auf Instagram habe ich schon in einem Reel gezeigt, wie du mit und über nichtbinäre Menschen sprechen kannst. Hier fasse ich dir noch einmal die Antworten auf die häufigsten Fragen zum Thema zusammen!
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Wie spreche ich über eine Person, die they/them als Pronomen hat?
Nutze das Pronomen nach denselben Regeln, nach denen du auch „sie“ oder „er“ einsetzen würdest. Du sagst also zum Beispiel: „They ist gerade nicht da. Aber ich sage them Bescheid!“ Wenn du dir unsicher bist, wie es richtig heißt, frag nach!
Was mache ich, wenn ich das Pronomen einer Person nicht kenne?
Frage die Person höflich nach ihren Pronomen – zum Beispiel so: „Entschuldigung, welche Pronomen verwenden Sie?“ In Vorstellungsrunden kannst du auch direkt jede Person darum bitten, mit dem Namen auch ihre Pronomen zu nennen.
Was ist, wenn ich nicht nach dem richtigen Pronomen fragen kann oder will?
Sprich die Person mit Vornamen oder mit Vor- und Nachnamen an – je nachdem, ob ihr euch duzt oder siezt. Wenn du über sie sprichst, sagst du beispielsweise: „Kim ist gerade nicht da. Aber ich sage Kim Bescheid!“ Wenn dir das zu nervig ist, frag nach dem richtigen Pronomen! Kennst du weder den Namen noch die Pronomen einer Person, kannst du dir mit neutralen Formulierungen wie „Mensch“ oder „Person“ behelfen.
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Tipps und Tricks für geschlechtsneutrale Kommunikation
Vielleicht denkst du jetzt: Ich kenne eh keine nichtbinäre Person! Dabei kannst du nie wissen, ob du nicht morgen doch eine triffst oder sich nichtbinäre Menschen in deiner Zielgruppe befinden. Deshalb solltest du nicht nur wissen, wie du richtig genderst, sondern auch, wie du geschlechtsneutrale Alternativen für binäre Formulierungen findest. Ich verrate dir dazu mal einige Tipps:
- „Herr“ und „Frau“ vermeiden: Wenn du eine Person neu kennenlernst, sage erstmal „Guten Tag“, „Sie“ oder „Vorname Nachname“ und frage im Gesprächsverlauf am besten nach den richtigen Pronomen.
- Nicht nur „Damen und Herren“ begrüßen: Sage stattdessen „Liebes Publikum“, „Sehr geehrtes Kollegium“, „An meine Leser*innen“ oder „Liebe Studierende“.
- Persönliche Anrede nutzen: Sprich deine Zielgruppe nach Möglichkeit einfach mit „Sie“ oder „du“ an – so vermeidest du eine ganze Menge binärer Personenbezeichnungen.
- Schreibe geschlechtsneutrale Briefe: Statt „Lieber Herr Jansen“ oder „Sehr geehrte Frau Toma“ schreibst du besser „Guten Tag, Kim Lange!“
- Falsche Pronomen korrigieren: Wenn du merkst oder darauf aufmerksam gemacht wirst, dass du eine Person falsch angesprochen hast, entschuldige dich kurz und verwende ab sofort das richtige Pronomen. Um solche Situationen zu vermeiden, frage vorher nach und sprich fremde Menschen nicht einfach nach Gefühl mit „sie“ oder „er“ an.
So, das war es auch schon! Eigentlich ist es doch ganz einfach, oder? Natürlich kann es sich am Anfang unangenehm anfühlen, Menschen nach ihren Pronomen zu fragen. Sicher werden einige etwas verwirrt reagieren. Doch nichtbinären Personen ersparst du so das Gefühl, sich outen zu müssen oder nicht akzeptiert zu werden.
Zur Vollständigkeit möchte ich dir noch sagen, dass ich selbst das Pronomen „sie“ verwende. Ich habe also keine persönliche Erfahrung mit Neopronomen, aber mich schon mit einigen nichtbinären Personen darüber unterhalten. Wenn du also andere Erfahrungen gemacht hast, als sie hier stehen, ergänze sie doch gerne in den Kommentaren. Und wenn du noch Fragen dazu hast, wie du nichtbinäre Menschen am besten ansprichst, schreib sie auch unter diesen Beitrag!
Dieser Beitrag wurde im April 2021 nach einem Sensitivity-Reading überarbeitet. Mehr über die Weiterentwicklung meiner Inhalte liest du in meiner Fehlerdoku.