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Rechtschreibung kritisieren in sozialen Medien? Nein, danke!

Rechtschreibung kritisieren im Internet? Nein, danke!

Zuletzt geändert am 13. Januar 2022


„Lern erstmal richtig Deutsch!“ oder „Mit der Rechtschreibung nehm’ ich dich sowieso schonmal nicht ernst!“ – solche und ähnliche Kommentare sind in sozialen Medien wie Facebookgruppen oder Instagram-Beiträgen immer wieder zu sehen. Und sie machen mich richtig sauer!

Denn das ist genau das Gegenteil einer wertschätzenden Diskussion. Die Kommentierenden lenken vom eigentlichen Thema ab und suchen sich irgendeinen Schwachpunkt, auf den sie einschlagen können. Dieses Verhalten ist nicht nur herablassend, sondern kann auch diskriminieren. Mal abgesehen davon, dass du sowieso niemanden beleidigen solltest: In diesem Artikel möchte ich dir einige Gründe zeigen, aus denen du die Rechtschreibung deiner Mitmenschen im Internet nicht kritisieren solltest.

Für Profis ganz schwer zu ertragen: Rechtschreib- und Grammatikfehler

Zugegeben: Gerade für uns Texter*innen und Lektor*innen ist es nicht immer einfach, sprachliche Fehler unkommentiert zu lassen. Das ist einfach eine Berufskrankheit – jedes überflüssige Komma, jeder falsch platzierte Buchstabe lässt uns zusammenzucken! 😱

Ja, auch ich habe schon ungefragt meine Meinung zur Rechtschreibung anderer Menschen abgegeben oder mir zumindest meinen Teil gedacht. Bei mir ist das zwar kein bewusster Hate gewesen, sondern durchaus gutgemeint. Trotzdem finde ich manche meiner Aussagen heute ziemlich daneben. 🙈

Hätte ich früher „Es heißt ‚als‘ und nicht ‚wie‘!“ gebrüllt, konzentriere ich mich inzwischen lieber auf den Inhalt des Gesagten. So wie beim Sprechen ist es doch auch in der Kommentarspalte von sozialen Medien: Wir wollen miteinander über alltägliche Dinge kommunizieren, eine Meinung abgeben oder unsere Gefühle ausdrücken. Das ist ein Teil unseres Alltags – kein Roman, kein Bewerbungsschreiben und schon gar keine Abschlussprüfung! Hauptsache, wir verstehen uns.

Warum nicht jede*r gut schreiben kann – und das in Ordnung ist

Wenn du online die Rechtschreibung eines Mitmenschen kritisierst, dann weißt du nie, was das bei der Person auslöst. Vielleicht war sie nur nachlässig. Möglicherweise hat sie aber auch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und wurde dafür in der Schule jahrelang gemobbt! Es ist bestimmt kein schönes Gefühl, daran erinnert zu werden.

Also frag dich immer: Was steckt dahinter? Es gibt tausend Gründe, warum Rechtschreibung und Grammatik nicht die Stärke jedes Menschen sind. Hier sind einige davon:

  • Schnell geschrieben: In sozialen Medien wird viel und schnell kommentiert. Die wenigsten nehmen sich die Zeit, vor dem Senden alles noch einmal durchzulesen.
  • Autokorrektur: Wir alle kennen diese lästigen, bisweilen aber auch ganz lustigen Schreibfehler, die allein von der Autokorrektur verursacht werden. Und da immer mehr Menschen mobil auf Facebook und Co. unterwegs sind, häufen sie sich.
  • Nichterstsprachler*in: Vielleicht kann dein Gegenüber wirklich noch nicht so gut Deutsch, weil es die Sprache gerade erst lernt. Wie geht dir das, wenn du versuchst, auf Englisch zu schreiben? Und die deutsche Rechtschreibung hat noch so einige Tücken mehr!
  • Legasthenie: Die Lese-Rechtschreib-Schwäche betrifft etwa 4 % der Schüler*innen in Deutschland. Betroffene können nichts dafür, dass Ihnen Rechtschreibung und Grammatik nicht gelingen wollen. Dasselbe gilt auch für andere Lernbehinderungen.
  • Analphabet*in: Über 6 Millionen Menschen in Deutschland sind Analphabet*innen. Die meisten von ihnen können zwar einzelne Wörter oder Sätze lesen, doch keine zusammenhängenden Texte. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem Schreiben.
  • Andere Prioritäten: Nicht jede*r war in der Schule gut in Deutsch. Manche Menschen haben einfach andere Prioritäten. Außerdem: Wofür gibt es sonst Lektor*innen? Sogar viele Bestsellerautor*innen sind schlecht in Rechtschreibung und Grammatik – vielleicht, weil sie sich lieber auf die Geschichte konzentrieren.

Diskriminierungsfrei diskutieren

Du siehst also: Schlechte Rechtschreibung heißt überhaupt nicht automatisch, dass dein Gesprächspartner ahnungslos, nicht ernst zu nehmen oder deiner nicht würdig ist. Vielleicht ist er dir inhaltlich sogar weit überlegen. Also nimm dich und deine Kommas mal zurück und hör einfach zu!

Was im Internet immer geht, wenn dir die Meinung einer Nutzerin nicht gefällt: Weiterscrollen. Wenn du aber wirklich an einer ernsthaften Diskussion interessiert bist, dann bleibe beim Inhalt. Kommentare zu Rechtschreibung und Grammatik sind unsachlich und eher ein Zeichen dafür, dass du nicht weiterweißt oder die andere Person eigentlich recht hat… Sei eine gute Verliererin und gib vielleicht einfach mal zu, dass du dich geirrt hast. 😉


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Als Texterin oder Lektor sensibel auf Fehler hinweisen

Jetzt aber nochmal im Ernst: Natürlich haben gute Rechtschreibung und Grammatik ihre Vorteile. Fehler lenken vom Inhalt ab. Und ein eher schlecht als recht geschriebener Text ist vielleicht für Freund*innen und Bekannte verständlich, nicht aber für einen größeren Kreis von Adressat*innen. Als Unternehmer*in, im Beruf oder im Studium ist es daher hilfreich, mal einen Profi drüberschauen zu lassen.

Doch was machst du, wenn du Texter*in bist, einfach nur helfen willst, dir aber nicht sicher bist, was dein Gegenüber davon hält?

  • Achte auf den Kontext: Fragt jemand nach Feedback zu einem Bewerbungstext? Oder geht es gerade um ein ganz anderes Thema, das mit Lesen und Schreiben überhaupt nichts zu tun hat? Darauf mit „Boah, deine Rechtschreibung geht ja gar nicht, buch mal ein Lektorat bei mir!“ zu reagieren, ist unhöflich. Beim Bewerbungstext kannst du deine Leistungen aber gerne freundlich anbieten und so vielleicht weiterhelfen.
  • Passe den richtigen Moment ab: Ob auf der Party mit mehreren Leuten in der Runde oder in einem Kommentar unter einem Social-Media-Beitrag – bloßgestellt zu werden fühlt sich nie gut an. Sprich lieber allein mit der Person oder schreibe ihr eine private Nachricht.
  • Falle nicht mit der Tür ins Haus: Vor allem, wenn es sich um eine fremde Person aus dem Internet handelt, solltest du die Füße stillhalten! Bevor du ihre Rechtschreibung kritisierst, erzähl doch erstmal ganz unverbindlich, was du beruflich machst. Wenn sich dein Gegenüber seiner Rechtschreibprobleme bewusst ist, fragt es vielleicht von selbst nach!

Rechtschreibung kritisieren im Internet? Nein, danke!

Mit Rechtschreib-Hate umgehen – Tipps für Community-Manager*innen

Besonders schlimm finde ich es, wenn Community-Manger*innen im Namen von Unternehmen mit Kommentaren zur Rechtschreibung auf User*innen-Beiträge antworten. Bitte lasst das! Aber auch, wenn du die Kommentare auf deiner Facebook-Seite moderierst, begegnen dir vielleicht wilde Auseinandersetzungen mit unsachlicher Kritik an der Schreibfähigkeit einiger Nutzer*innen. Wie kann man damit umgehen?

So wie du wahrscheinlich keine rassistischen oder sexistischen Äußerungen tolerierst, solltest du auch Diskriminierung aufgrund der Rechtschreibung und Grammatik nicht einfach hinnehmen. Mache deutlich, dass nicht alle Menschen dieselben Fähigkeiten haben und diesbezügliche Hate-Kommentare gelöscht bzw. die entsprechenden User*innen blockiert werden können. Wenn du die Zeit hast, kläre gerne auf, warum Kommentare zur Rechtschreibung kritisch sind, wenn sie nichts mit dem Kontext zu tun haben. Oder verlinke einfach diesen Artikel.

Wie ist das bei dir? Hast du schonmal Hate aufgrund deiner Schreibfähigkeit bekommen? Oder hast du vielleicht wie ich schonmal ungefragt die Rechtschreibung oder Grammatik einer anderen Person berichtigt? 🙈 Schreib’s in die Kommentare! Keine Angst: Ich lege großen Wert auf eine wertschätzende Diskussion, in der verschiedene Meinungen vertreten werden dürfen. Kein Mensch ist perfekt. Aber wir alle haben die Möglichkeit, unser Denken und Handeln zu hinterfragen💙

7 comments Rechtschreibung kritisieren in sozialen Medien? Nein, danke!

  1. Thema: Rechtschreibung kritisieren.
    Ich bin Schweizer 45 Jahre alt und werde in den deutschen Foren ständig kritisiert, meine Grammatik wäre schlecht.
    Das hat mich dermassen verunsichert, dass ich mich verbessern möchte.
    Nur weiss ich nicht, ob ich zurecht kritisiert werde.
    Es könnte auch sein, dass gewisse Leute das einfach so behaupten, um mir weh zu tun.
    Es könnte aber auch stimmen. Trotz meiner angeblich schlechten Grammatik glaube ich nicht, dass man meine Texte falsch versteht.
    Um sicher zu gehen, habe ich mir jetzt Lehrmaterial bestellt.
    Denn ich glaube, uns wird in den schweizer Schulen auch vieles falsch beigebracht.

    1. Hallo Phillip!
      Lass dich nicht verunsichern. Manchen Menschen fehlt es einfach an guten und sinnvollen Argumenten und ihnen fällt nichts besseres ein, als die Rechtschreibung zu kritisieren – obwohl sie selbst genug Fehler machen. Und das Schweizerhochdeutsche unterscheidet sich nun einmal vom Hochdeutschen in Deutschland. Ich korrigiere oft wissenschaftliche Arbeiten von Schweizer:innen und kenne die Unterschiede inzwischen ganz gut. Wenn du z. B. auch beruflich viel schreiben musst, lohnt es sich natürlich, die eigene Rechtschreibung und Grammatik zu verbessern. Wenn du dabei Hilfe brauchst, kannst du dich gern bei mir melden und ein Lektorat buchen. Aber auf die Hater:innen aus dem Internet solltest du nichts geben. Die sind einfach respektlos und werden sich auch mit der besten Rechtschreibung nicht zufrieden geben und irgendetwas anderes finden…
      Liebe Grüße,
      Lucia

    2. Guten Morgen Philipp,
      ich habe jahrelang für eine schweizer Firma (SFS-Stadler GmbH in Heerbrugg) gearbeitet und war dort oft auf Seminaren und Firmenfesten.
      Das ”Hochdeutsch” eines Schweizers und das eines Deutschen kann unterschiedlicher nicht sein!
      Aber auch in Deutschland ist dialektbedingt Deutsch nicht gleich Deutsch.
      Damit kämpfen wir alle immer noch seit der Wiedervereinigung – Standardantwort ”du bist aus dem Osten oder”?
      Weil der ”Ossi” eben jetze statt jetzt sagt/schreibt, zum Brathähnen ”Broiler” sagt usw.
      Lass dich nicht entmutigen, ich finde es ok das du dir Literatur besorgst, aber die meissten (ich finde z. Bsp. auf meinem Laptop kein ”sz”, skandinavische Tastatur, werde dafür oft kritisiert) versuchen nur durch Besserwisserei von ihrem Unwissen von der Thematik abzulenken!
      Viel Glück und …… Axel.

  2. Ich finde es gar nicht schlimm, wenn man Fehler schreibt, nur sollte man die anderen schon darauf aufmerksam machen, dass man auch Fehler korrigieren kann und dass man nicht sich angegriffen fühlt. Ich finde es auch schade, wenn andere dadurch den Kontakt einfach abbrechen und keine Antwort mehr geben.

  3. Ich bin der Meinung, dass man Defizite in der deutschen Rechtschreibung nicht verharmlosen soll. Gerade viele junge Menschen sind heute oftmals nicht mehr in der Lage, einen Satz fehlerlos zu schreiben. Was auffällig ist, dass viele Leute nicht mehr wissen, wann man das od. dass schreibt. Natürlich kann aus Versehen ein Wort einmal falsch geschrieben werden. Aber es damit zu argumentieren es passieren Fehler weil man zu schnell schreibt, ist nicht richtig. Dies zeugt nur von Gleichgültigkeit. Personalleiter schicken oftmals Bewerbungen nur aufgrund mangelnder Grammatik u. Rechtschreibfehler wieder an den Bewerber zurück. Ich finde dies mehr als traurig.

    1. Ich habe festgestellt, dass ich bezüglich meines heutigen Kommentars einen Denkfehler machte: das Wort “mangelnder” muss hier im Zusammenhang natürlich weg.
      Oder es müsste heißen wegen mangelnder Kenntnisse in Grammatik u. Rechtschreibung.
      Ich gebe zu – auch ich bin nicht fehlerfrei.

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