Du überlegst, dein Webdesign barrierefrei, Vielfalt wertschätzend, diskriminierungsarm und vielleicht sogar feministisch zu gestalten? Dann ist kadi vom studiokwi genau die richtige Ansprechpartnerin für dich. Sie hat sich nämlich auf inklusives feministisches Design spezialisiert. Im Interview beschreibt sie nicht nur ausführlich, wie sie zu dieser klaren Positionierung gefunden hat. Sie gibt dir auch jede Menge wertvolle Tipps für deine eigene Website-Gestaltung mit! Gefragt hatte ich ja nur nach drei Tipps, bekommen mehr als das Doppelte. Schau dir jetzt kadis Antworten auf meine fünf Fragen zu feministischem Webdesign an!
1. Was bedeutet antidiskriminierendes und feministisches (Web-)Design für dich?
Der Weg zum diskriminierungsfreien und queerfeministischen Design war ein längerer Prozess. Ich habe vor Jahren begonnen, mich mit meinen Privilegien als weiße, nicht-behinderte cis-Frau [i] auseinanderzusetzen. Gleichzeitig – während meines Studiums – begann ich auch, das Kommunikationsdesign generell zu hinterfragen und stellte mir immer wieder die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Design. Ich fand schnell Gefallen daran, Dinge so zu gestalten, dass sie für alle einfach erkennbar und logisch sind, anstatt abgefahrene Entwürfe abzuliefern.
Etwas später begann auch die feministische Sichtweise in mir immer mehr zu wachsen und ich sah die Welt – vor allem die Design- & Tech-Branche – mit anderen Augen. Wir leben in einer Welt, in der die meisten Dinge, mit denen wir tagtäglich zu tun haben, in patriarchalen Strukturen geschaffen wurden, und ich möchte, dass sich das ändert. Meine Arbeit dreht sich neben den gängigen Designleistungen (web, grafik, print) vor allem um Geschlechtersensibilität, Intersektionalität [i] und Inklusion.
Konkret bedeutet das für meine Arbeit und auch für mich persönlich, immer wieder die eigenen Privilegien und Standpunkte zu hinterfragen und Diskriminierungsformen im Blick zu haben. Ich als Frau will keinen Sexismus erfahren. Genauso möchte ich mich als Designerin und als Ally [i] aktiv bemühen, dass People of Color und Schwarze Menschen keinen Rassismus durch z. B. Design erfahren. Und ich möchte verhindern, dass Menschen durch Gestaltung und Design behindert werden [i]. Für mich gehören Feminismus und Inklusion ganz klar zusammen.
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2. Wie setzt du deinen antidiskriminierenden und feministischen Ansatz im Webdesign in der Praxis um? Kannst du vielleicht ein, zwei Beispiele nennen?
Mir ist es wie schon gesagt sehr wichtig, dass Informationen und Inhalte für alle Menschen verständlich sind. Also versuche ich, Barrierefreiheit in jedem Auftrag so gut es geht anzusprechen und zu berücksichtigen. Manchmal muss ich viel erklären – manchmal werde ich extra deswegen beauftragt – Tendenz steigend :). Wie das dann umgesetzt wird, hängt natürlich immer von den Auftraggebenden, der Art und dem Umfang des Auftrags ab: Eine Website hat andere Kriterien als ein Flyer. Aber egal welches Produkt – der gemeinsame Nenner ist und bleibt, dass alle Menschen Zugang zu den enthaltenen Informationen haben sollten. Das klappt nicht immer reibungslos (dazu später mehr), aber ich denke, der Weg ist entscheidend – und wir befinden uns auch hier in einem Prozess, der noch in vollem Gang ist.
Ein weiteres Beispiel aus meinem Arbeitsalltag ist der Punkt der Diskriminierungsfreiheit in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Ziel meiner Gestaltung ist, zu empowern und Menschen zu ermutigen, ihr Ding zu machen. Das geht nur, indem ich aktiv Rollenklischees hinterfrage und mir Lösungen überlege, die frei von Diskriminierung sind. Das beginnt schon bei der Ansprache von Kund*innen und der Klärung des Pronomens und des gewünschten Namens (nicht alle Menschen tragen den Namen, den sie bei ihrer Geburt bekommen haben – müssen diesen aber z. B. im Impressum angeben).
„Meine Grundeinstellung bildet die Basis sämtlicher Gestaltung“
In der Darstellung von Menschen in Illustrationen oder Fotos ist es besonders wichtig, geschlechtersensibel zu sein und Stereotype zu dekonstruieren. Das plakativste Negativ-Beispiel wäre ein Foto, auf dem ein stehender cis Mann einer sitzenden Frau etwas am Computer erklärt. Ein absolutes No-Go, was ich aber leider immer und immer wieder sehen muss. Außerdem stelle ich mir Fragen wie: Welche Schrift wirkt authentisch und gleichzeitig empowernd? Welche Farben sind zwar gesellschaftlich belegt, aber verdienen eine feministische Rückeroberung?
Es gibt von Auftrag zu Auftrag immer wieder neue Bereiche, in die ich mich erstmal reindenken muss. Ich glaube, das wichtigste bei meiner Arbeit ist meine Grundeinstellung. Die bildet die Basis sämtlicher Gestaltung.
3. Welche Erfahrungen machst du mit deiner Arbeit? Bekommst du eher positive Reaktionen oder stößt du auch auf Unverständnis? Wirst du gezielt wegen deines Fokus auf feministisches Webdesign gebucht?
Ich mache zurzeit ganz viele tolle Erfahrungen – vor allem im inklusiven und im feministischen Kontext. Ich arbeite mit unglaublich tollen FINTA* [i] zusammen und begleite viele spannende Projekte. Und das Feedback ist toll – darauf bin ich insgeheim sehr stolz. Außerdem habe ich das Gefühl, durch soziale Medien in einem unglaublich tollen Netzwerk vieler toller FINTA* aus dem Kreativbereich zu sein. Das hilft über feministische Einzelkämpfe hinweg, die es natürlich auch gibt.
Ich habe auch das Gefühl, dass feministisches sowie inklusives Design immer gefragter werden – was großartig ist! Ich hoffe, dass in Zukunft noch viel mehr in diese Richtung passiert und dass ich irgendwann niemandem mehr erklären muss, warum Schriftgröße 9 pt keine gute Idee ist oder dass hellgraue Schrift auf gelbem Hintergrund einfach nicht klar geht.
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4. Was muss sich aus deiner Sicht ändern, damit Websites diskriminierungsärmer werden?
Momentan beschäftige ich mich häufig mit technischen Schwierigkeiten im Bereich Barrierefreiheit. Die Tools, die ich z. B. zum Erstellen einer Website nutze, wurden größtenteils von nichtbehinderten Programmierern (bewusst gegendert) entwickelt. Das Problem, das ich sehe, ist die strukturelle Diskriminierung, die dahinter liegt. Wenn schon die Basis – in diesem Fall die Technik – Barrieren baut, dann stimmt die Basis nicht. Alles was ich als Designerin tun kann, ist das Beste draus zu machen und zu versuchen, die Fehler zu korrigieren. Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft einfach schon beim Planen der „Basis“ inklusiv gedacht wird und mehr Diversity in den Bereich Webentwicklung einfließt.
5. Welche Tipps hast du für Selbstständige oder kleine Unternehmen, die ihre eigene feministische Website erstellen oder erstellen lassen wollen?
Ich habe ein paar Grundsätze, die meine tägliche Arbeit begleiten. Einer davon ist „Form Follows Function“. Mein Tipp dazu: Überlegt euch zuerst, um was es genau bei der Website geht, was das Ziel und wer die Zielgruppe ist und welche Inhalte wirklich wichtig sind, damit ihr euer Ziel erreichen könnt. Dann baut die Struktur auf und plant bis ins Detail, wie sich die Menschen auf eurer Website bewegen sollen – ein bisschen so, als würdet ihr einen Parcour bauen: Wo wird per Button gesprungen und wohin, was ist das Ziel und wie wird es erreicht. Erst wenn das alles gut überlegt ist, entwickelt ihr das Design.
Bedenkt bei der Planung und Umsetzung auch die folgenden wichtigen Punkte.
SEO (Suchmaschinenoptimierung)
Wie gut wird eure Seite im Web gefunden und wie schafft ihr es, dass sie in der Suche relativ weit oben auftaucht?
Page Speed
Wie groß ist z. B. die Datenmenge eurer Website, wie sind eure Bilder dimensioniert usw.? Das hat große Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit und auf die SEO. Auch wie schnell die Server eurer Hostingagentur arbeiten und ob die z. B. Öko-Strom nutzen, spielt eine wichtige Rolle.
Barrierefreiheit
Wie barrierefrei ist eure Website? Sind die Überschriften sinnvoll strukturiert? Ist die HTML-Struktur korrekt angelegt? Sind Alternativtexte für Bilder hinterlegt? Sind eure Buttons auch für Screenreader erkennbar? Und vieles mehr… (All das spielt übrigens auch bei der SEO eine Rolle).
Zielgruppe
Ist eure Zielgruppe heteronormativ definiert? Wie wäre es z. B., Geschlechterrollen zu dekonstruieren und bislang Erlerntes zu hinterfrage? Die Welt ist bunt und vielfältig – genauso solltet ihr auch eure Zielgruppen sehen. Also Weg mit den staubigen, heteronormativen „m/w-Personas“. Seid offen für alles für euch Neue.
Bildsprache
Hinterfragt Rollenklischees und stellt die Menschen empowernd dar! Es gibt mittlerweile einige Bildagenturen, die Vielfalt in den Bildern zeigen und Fotos fernab von Klischees anbieten. Schreibt mich gern an für mehr Infos: instagram.com/studiokwi 🙂
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Gendern
Aus meiner Sicht ist Gendern total wichtig. Ich will nicht länger stumm mitgemeint, sondern wahrgenommen und direkt angesprochen werden! Studien belegen: Wer z. B. eine männliche Berufsbezeichnung liest oder hört, denkt an einen Mann. Das generische Maskulinum liefert falsche Informationen und schließt mich und andere FINTA* [i] aus. Das macht unsichtbar. ALLE sind gleich wichtig. Alle sind gleich viel wert! Gendern bringt genau das auf den Punkt. Also gendere ich. Das bedeutet, ich drücke mich geschlechtersensibel aus.
Gendern ist ein Prozess und noch lange nicht abgeschlossen. Das ist toll – denn wir alle können mitwirken. Zurzeit ist das Gendersternchen mein Top-Genderzeichen. Zu Gendern und Suchmaschinenoptimierung hat Lucia sicher den einen oder anderen Tipp … 🙂
Page-Builder
Gerade bei den bekannten und allseits beliebten Page-Buildern gibt es vor allem in punkto Barrierefreiheit und Page-Speed oft Probleme, die nicht so einfach, ohne tiefer in die Materie einzusteigen, behoben werden können. Das sollte bei der Erstellung einer Website immer bedacht werden.
Eine Website ist – wenn sie gut gestaltet wird, richtig aufgebaut und nachhaltig ist – ein tolles Tool, um sich, das eigene Projekt oder Thema der Welt zu präsentieren. Eine Website bedeutet aber auch Arbeit – denn sie muss gepflegt und gewartet werden, immer wieder an den technischen Fortschriftt angepasst werden und sollte auch regelmäßig inhaltlich überarbeitet werden (SEO).
Über Kathrin Windhorst
Mit über 10 Jahren Erfahrung als Art-Direktorin, Dozentin und Fotografin habe ich mich 2016 mit studiokwi selbstständig gemacht, um mich beruflich zu entfalten und meine eigenen Ideen umzusetzen. Nach meinem B. A. in Kommunikationsdesign und Fotografie, Weiterbildungen in der Jugend- und Erwachsenenbildung und kunstpädagogischen Fortbildungen sowie mehrjähriger Erfahrung als persönliche Assistenz bin ich heute – neben der Art-Direction – auch für verschiedene Bildungsträger tätig. Hier gebe ich unter anderem Medien-Workshops an Schulen zu Themen wie Antirassismus und sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
Design bedeutet Verantwortung dafür zu übernehmen,
wie etwas in die Welt getragen wird.
Diversität und der Blick auf Intersektionalität sind mir persönlich wie beruflich sehr wichtig und deshalb – genauso wie Gendern und diskriminierungsfreie Gestaltung – tief in der Philosophie und Arbeitsweise von studiokwi verankert. Ich arbeite mit einem vielfältigen Team aus den Bereichen Design, Illustration, Typografie, Text, SEO und Webentwicklung zusammen.
Ich engagiere mich viel im sozialen Bereich, zu queerfeministischen Themen und interessiere mich sehr für Diversity, unter anderem im Bildungsbereich und der Digitalisierung.
Hier findest du kadi:
Begriffserläuterungen von kadi
[i]
Ableismus
Beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, indem Menschen an bestimmten Fähigkeiten – Laufen, Sehen, sozial Interagieren – gemessen und auf ihre Beeinträchtigung reduziert werden. Ableismus betont die Ungleichbehandlung, Grenzüberschreitungen und stereotypen Zuweisungen, die Menschen wegen ihrer Behinderung erfahren. Es gibt eine normative Vorstellung davon, was Menschen leisten oder können müssen. Wer von dieser Norm abweicht, wird als behindert gekennzeichnet und als minderwertig wahrgenommen.
Ally: Verbündete*r/Unterstützer*in. Eine Person, die selbst nicht Teil einer marginalisierten Gruppe ist, aber diese aktiv unterstützt. Die Person arbeitet aktiv daran, Intoleranz zu beenden, klärt auf und nutzt ihre Position (nicht Teil der marginalisierten Gruppe zu sein), um sich für die Gleichstellung diskriminierter Personen einzusetzen.
behindert werden: Die Formulierung macht deutlich, dass Menschen nicht aufgrund ihrer individuellen Körper behindert SIND, sondern durch Barrieren und gesellschaftliche Ausschlüsse behindert WERDEN. Es sind nicht die individuellen Körper oder Fähigkeiten der Personen selbst, die Behinderung ausmachen, sondern Barrieren und fehlenden Zugänge.
cis: Die Vorsilbe ‚cis‘ wird benutzt, um auszudrücken, dass eine Person sich mit dem Geschlecht identifiziert, dem sie bei der Geburt aufgrund der Genitalien zugewiesen wurde.
FINTA*: Abkürzung für Frauen, Inter Menschen, Nichtbinäre Menschen, Trans Menschen und Agender Menschen. Das * steht für Personen, die keinem der oben genannten Geschlechter entsprechen.
Intersektionalität berücksichtigt, dass Menschen oft wegen mehrerer Eigenschaften/ Identitäten benachteiligt und diskriminiert werden.
People of Color/PoC: Der Begriff People of Color (im Singular Person of Color) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren.
Schwarz: Der Begriff Schwarz wird oft als Selbstbezeichnung von Menschen afrikanischer und afro-diasporischer Herkunft, Schwarzen Menschen, Menschen dunkler Hautfarbe und people of colo(u)r gewählt. Das großgeschriebene „S“ wird bewusst gesetzt, um eine sozio-politische Positionierung in einer mehrheitlich weiß dominierten Gesellschaftsordnung zu markieren und gilt als Symbol einer emanzipatorischen Widerständigkeitspraxis.
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